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Iran wählte am Freitag einen - eventuell neuen - Präsidenten. Wer gewonnen hat, wird wohl erst am Samstagvormittag feststehen.

© dpa

Präsidentschaftswahl im Iran: Zwischen Lethargie, Frustration und Aufbruchsstimmung

Trotz Allpräsenz von Uniformierten ist die Stimmung im Iran bislang ruhig. Am Abend (Ortszeit) wurden die Wahllokale geschlossen. Die Wahlbeteiligung war hoch. Wer die Präsidentschaftswahl gewonnen hat und damit Mahmud Ahmadinedschad ablöst, wird frühestens Samstag feststehen.

Überall in Teherans Straße ist Polizei postiert. Regimetreue in Zivil halten jede Ecke genau im Blick. Vier Jahre nach den turbulenten Präsidentschaftswahlen 2009, die der Islamischen Republik die schwerste Krise seit ihrer Gründung bescherte, wollen die iranischen Machthaber diesmal nichts dem Zufall überlassen. Keiner der wenigen ausländischen Reporter kann sich frei bewegen, das Internet ist gedrosselt. Eine Welle von Verhaftungen während der vergangenen Tage sollte bei Kritikern des Regimes noch einmal Angst und Schrecken verbreiten. Gut 50 Millionen Iraner waren aufgerufen, am Freitag den Nachfolger Mahmud Ahmadinedschads zu bestimmen. Von acht bis zwanzig Uhr Ortszeit waren die Wahllokale geöffnet. Ergebnisse gibt es wahrscheinlich erst am Samstagvormittag.

Trotz der Allpräsenz von Uniformierten, trotz aller Schikanen und Drohungen, in den vergangenen 48 Stunden erlebte der Iran erneut ein kleines politisches Wunder. In zahlreichen Städten wurde Hassan Rowhani öffentlich gefeiert, der einzige Moderate im Feld der sechs verbliebenen Präsidentschaftskandidaten. In Kerman gingen hunderte Menschen mit seinen Plakaten auf die Straße und skandierten „Freiheit für Mussawi“, den seit zwei Jahren unter Hausarrest stehenden Ex-Spitzenkandidaten der Grünen Bewegung.

In Shiraz und Maschad feierten Menschenmengen den 64-jährigen Geistlichen und ehemaligen Atomunterhändler mit Sprechchören. Schließlich hatte dieser es als einziger in den Fernsehdebatten gewagt, „die erstickende Sicherheitsatmosphäre im Land“ öffentlich anzuprangern. In seinem offiziellen Kandidatenfilm kritisiert er, Bürger im Iran würden von Männern in Zivil terrorisiert – eine unverhohlene Anspielung auf die gefürchteten Schlägertrupps der Basij-Milizen. Seit die beiden Ex-Präsidenten Ali Akbar Rafsandjani und Mohammed Khatami Anfang der Woche gemeinsam das zermürbte Reformlager aufriefen, für Rowhani zu stimmen, scheinen viele Wähler aus Lethargie und Frustration erwacht. Im konservativen Lager dagegen machten sich bis zuletzt fünf Kandidaten gegenseitig die Stimmen streitig. Und so können die Moderaten hoffen, dass ihr Rowhani es tatsächlich in die Stichwahl schafft, wo er gegen einen der handverlesenen Hardliner antreten muss.

Die öffentliche Mobilisierung in letzter Minute erinnert zwar nur fern an die Beifallsstürme für die Grüne Bewegung vor vier Jahren. Aber sie könnte bewirken, dass die herrschende Kaste aus Klerikern und Revolutionären Garden davor zurückschreckt, kurzerhand zwei Hardliner als Sieger und Kontrahenten für die Stichwahl auszurufen. Dann könnte es erneut zu Unruhen kommen wie 2009, als hunderttausende Bürger gegen die Manipulationen zugunsten von Mahmud Ahmadinedschad auf die Straße gingen. Und so müssen diesmal sämtliche ausländischen Journalisten bereits am Samstag das Land verlassen - internationale Augenzeugen möglicher Demonstrationen will das Regime unter keinen Umständen dulden.

Deren Oberster Machthaber allerdings gab sich am Freitag ungerührt. „Alles Unsinn“, wischte Ali Khamenei die westliche Kritik beiseite, Irans Kandidatenauswahl sei manipuliert und die Abstimmung eine Farce. „Unsere geliebte Nation sollte zu den Wahlurnen gehen mit Begeisterung und Freude, denn das Schicksal des Landes liegt in eurer Hand“, belehrte er über das Staatsfernsehen seine Landsleute. „Erst wollte ich nicht wählen, denn freie Wahlen gibt es in meiner Heimat nicht“, sagt eine junge Teheranerin. Nun aber habe sie sich doch anstecken lassen. „Die Menschen sehnen sich nach Änderungen, ich wähle Rowhani“, erklärt sie. Ein andere junge Frau dagegen bleibt skeptisch: „Letztes Mal haben sie unsere Stimmen gestohlen – warum sollte das diesmal anders sein?“

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